Auf dem Weg zum Hörgerät
Wer ein Hörgerät braucht, sollte einen bestimmten Ablauf einhalten und Geduld aufbringen.
Wer ein Hörgerät braucht, sollte einen bestimmten Ablauf einhalten und Geduld aufbringen. Es sollten immer mindestens drei Modelle (darunter mindestens ein Kassengerät) Probe getragen und miteinander verglichen werden. Reicht das Kassengerät zum Ausgleich der Hörminderung nicht aus, ist trotzdem eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse möglich, allerdings muss die Übernahme der Mehrkosten bereits vor dem Kauf geklärt werden. Hier finden Sie noch einmal alle Schritte auf dem Weg zu einem neuen Hörgerät auf einem Blick:
1. Ärztliche Verordnung
Der erste Schritt besteht darin, eine ärztliche Verordnung von einem HNO-Arzt oder einem Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie zu erhalten. Diese Verordnung ist die Grundvoraussetzung für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Die Verordnung ist innerhalb von 28 Kalendertagen nach ihrer Ausstellung einzulösen.
2. Auswahl eines Hörgeräteakustikers
Es folgt die Auswahl eines qualifizierten Hörgeräteakustikers. Wählen Sie einen Hörgeräteakustiker, der eine breite Palette an Hörgeräten anbietet und eine umfassende Beratung und Anpassung gewährleisten kann. Dieser Schritt ist entscheidend, da eine fachkundige Beratung und Anpassung des Hörgeräts essentiell für den Erfolg der Versorgung sind.
3. Bedarfsanalyse und Anpassung
Der Akustiker führt eine ausführliche Bedarfsanalyse durch und passt verschiedene Hörgeräte zur Probe an. Diese Phase ist entscheidend, um das Hörgerät zu finden, das Ihren spezifischen Bedürfnissen am besten entspricht. Es besteht grundsätzlich Anspruch auf ein fortschrittliches (ggf. digitales) Hörgerät, das Ihnen eine optimale Hörversorgung bietet.
Testen Sie verschiedene Hörgeräte, die Ihnen der Hörakustiker anbietet, in Ihrem privaten und beruflichen Alltag ernsthaft und intensiv. Testen Sie unbedingt auch zuzahlungsfreie Angebote.
Der Prozess sollte in einem Hörtagebuch dokumentiert werden, um die Entscheidung für ein bestimmtes Gerät zu unterstützen. In einem Hörtagebuch halten Schwerhörige während der Testphase mit unterschiedlichen Geräten fest, in welchen Situationen sie mit einem Modell gut hören können und wann es ihnen nicht weiterhilft. Fragen Sie Ihren Hörgeräteakustiker danach und behalten Sie das Originalexemplar bei Ihren Unterlagen.
4. Festbeträge und eventueller Eigenanteil
Krankenkassen bieten regelmäßig einen Festbetrag zur Abdeckung der Kosten für Hörgeräte. In diesem Zusammenhang verwenden manche Hörgeräteakustiker und auch die Krankenkassen oft den Ausdruck "Zuschuss", wenn es um die Bezahlung von Hörgeräten geht. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass die Festbeträge lediglich eine Verwaltungsvereinfachung darstellen und nicht die Obergrenze der Leistungspflicht definieren.
Das Bundessozialgericht hat die Standards für die Qualität der Versorgung mit Hörhilfen sehr hoch angesetzt. Danach haben Versicherte Anspruch auf ein Hörgerät, das auf dem aktuellen technologischem Stand ist und das Hörvermögen so effektiv wie möglich an das eines gesunden Menschen angleicht. Voraussetzung ist, dass es im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bringt. Optische Vorteile oder besserer Komfort spielen allerdings keine Rolle.
Die Krankenkassen sind daher grundsätzlich verpflichtet, die kompletten Kosten für die notwendige Ausstattung mit einem Hörgerät zu übernehmen
Nur, wenn es sich um ein nicht notwendiges teureres Gerät handelt (also ein Gerät zum Festbetrag bereits ausreichen würde, um Ihren Hörverlust effektiv zu kompensieren), müssen Sie die Differenz zum Festbetrag selbst tragen. Dazu gehören dann auch die Reparaturkosten.
Vorsicht bei schriftlichen Erklärungen gegenüber dem Akustiker
Wer freiwillig auf die Anprobe eines aufzahlungsfreien Gerätes verzichtet, verwirkt eine Kostenübernahme über den Festbetrag hinaus. Auch sollte zu diesem Zeitpunkt keine Erklärung unterschrieben werden, mit dem Inhalt, die Kosten oder einen Anteil an den Kosten selbst zu übernehmen. Wenn der Akustiker zur Herausgabe des Hörgeräts andernfalls nicht bereit ist, sollte die Erklärung um den Satz ergänzt werden: "Auf Erstattungsansprüche gegenüber meiner Krankenkasse oder ggf. gegenüber anderen Rehabilitationsträgern verzichte ich hiermit nicht!"
Auch ein Kaufvertrag darf erst unterschrieben werden, wenn der Ablehnungsbescheid oder die Genehmigung der Krankenkasse vorliegt.
5. Antragstellung
Gehen Sie nach Abschluss der Testphase wieder zum HNO-Arzt und lassen Sie sich die Zweckmäßigkeit der von Ihnen ausgewählten Hörgeräte bescheinigen.
Sollte ein Hörgerät gewählt werden, welches über dem Festbetrag liegt, muss die Bescheinigung die Auswahlkriterien für das gewählte Hörgerät attestieren und erläutern, warum gerade das gewählte Gerät im vorliegenden individuellen Fall nach dem Stand der Medizintechnik die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen eines Gesunden erlaubt und gegenüber den anderen getesteten Hörhilfen zum Festpreis für den Hörgeschädigten erhebliche Gebrauchsvorteile im Alltagsleben bietet.
Nur wer überzeugend darlegen kann, dass kein Hörgerät zum Festbetrag bzw. Vertragspreis für den Ausgleich der individuellen Hörschädigung ausreicht, hat in der Auseinandersetzung mit der Krankenkasse eine Chance auf eine volle Übernahme der Kosten für das Hörgerät.
Der Hörgeräteakustiker erstellt dann einen detaillierte Kostenvoranschlag für das ausgewählte Hörgerät. Dieser wird zusammen mit der Verordnung, der Zweckmäßigkeitsbescheinigung und dem Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse eingereicht.
6. Keine rechtzeitige Entscheidung über den Antrag
Wenn Ihre Krankenkasse nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen auf Ihren Antrag für ein Hörgerät reagiert, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zur Selbstbeschaffung mit anschließender Kostenerstattung. Die Fristen variieren zwischen drei Wochen bis zu zwei Monaten, abhängig von der Notwendigkeit einer gutachterlichen Bewertung und dem spezifischen Leistungsbereich.
Eine nachträgliche Entscheidung der Krankenkasse, auch wenn verspätet, kann Ihr Recht auf Selbstbeschaffung beeinflussen. Es ist daher entscheidend, sich vorab rechtlich beraten zu lassen, um Ihre Ansprüche korrekt geltend zu machen und umfassend zu verstehen, welche Schritte in Ihrer spezifischen Situation am besten geeignet sind.
7. Widerspruch bei Ablehnung
Bei Ablehnung oder nur teilweiser Bewilligung des Antrags besteht die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Hierbei ist eine gut begründete Argumentation entscheidend, um den medizinischen Mehrbedarf und den individuellen Nutzen des gewählten Hörgeräts zu unterstreichen. Das Hörtagebuch sollte in Kopie beigefügt werden. Lassen Sie das Original unbedingt bei Ihren Unterlagen.
Auch wenn die Krankenkasse Ihnen zusätzlich mitteilt, dass sie eine "Teilweiterleitung" Ihres Antrages an einen anderen Reha-Träger veranlasst habe, sollte vorsorglich Widerspruch eingelegt.
Sie brauchen den Abschluss Ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Krankenkasse nicht abzuwarten, sondern können sich die Hörgeräte nun kaufen ("Selbstbeschaffung"). Verlangen Sie von Ihrer Krankenkasse nach erfolgter Selbstbeschaffung die Erstattung der vom Ihnen an den Hörakustiker geleisteten Eigenbeteiligung.
Allerdings tragen Sie im Falle der Erfolglosigkeit von Widerspruch und eventueller Klage das Risiko auf den Mehrkosten sitzen zu bleiben.
Bitte beachten Sie, dass dieses Merkblatt keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und eine persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann. Für weitergehende Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre nächste VdK-Geschäftsstelle.